Es ist eine der höchsten Auszeichnungen, die die Stadt Marktoberdorf vergibt: die Ehrenmedaille in Silber. In diesem Jahr ist in der Weihnachtssitzung des Stadtrats auch ein Sulzschneider geehrt worden: Dr. Thomas Kehle. Wieso? Das erklärte Stadtarchivarin Josephine Berger in ihrer Laudatio.
„Es ist mir eine große Ehre, heute im Namen der Stadt Marktoberdorf zu Ihnen sprechen zu dürfen. Anlass ist die Verleihung der Ehrenmedaille in Silber – eine Auszeichnung, die Menschen würdigt, die sich in besonderer Weise um unsere Stadt verdient gemacht haben.
Heute ehren wir vier Persönlichkeiten, die uns etwas hinterlassen haben, das unverzichtbar ist: das Wissen um unsere Wurzeln. Wir würdigen Martin Unsinn, Dr. Thomas Kehle, Ludwig Hofer und Ursula Thamm.

Sie alle haben mit ihren Chroniken ein langfristiges, identitätsstiftendes Fundament geschaffen – für ihre Ortsteile, für unsere Stadt und für kommende Generationen. Wenn wir heute zusammenkommen, dann tun wir das, um vier Persönlichkeiten zu ehren, die nicht im Rampenlicht arbeiten, sondern im Stillen. Menschen, deren Engagement über Jahrzehnte gewachsen ist, und die sich auf den Weg gemacht haben, ihre Orte wirklich zu verstehen. Oft beginnt solche Arbeit unscheinbar: mit einer Frage, einem Foto, einer Erzählung.
Bei Dr. Thomas Kehle begann es mit einer historischen Irritation: Stimmt die Erstnennung Sulzschneids wirklich? Und wie lässt sich das belegen?
Was diese vier Menschen eint, ist nicht nur ihr Interesse an Geschichte. Es ist ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, für das, was bleiben soll. Sie alle haben gesammelt, gefragt, dokumentiert, geordnet, wieder verworfen und neu begonnen. Und sie alle haben gezeigt, dass Geschichte keine abstrakte Größe ist, sondern etwas zutiefst Menschliches: ein Versuch, zu verstehen, woher wir kommen, um zu begreifen, wer wir sind.
Darum stehen wir heute hier. Nicht, um vier Bücher zu feiern, sondern vier Menschen, die mit
Ausdauer, Genauigkeit und Herz für die Heimat gearbeitet haben. Vier Menschen, die dazu beigetragen haben, dass unsere Ortsteile sich in ihrer Vielfalt erkennen und bewahren können.
Lieber Herr Dr. Kehle, Ihre Chronik zum 900-jährigen Jubiläum Sulzschneids ist ein Werk, das wissenschaftliche Präzision und verständliche Darstellung auf beeindruckende Weise verbindet.
Sie führen Ihre Leserinnen und Leser von der Erdgeschichte über die Geologie bis hin zur Siedlungsgeschichte, zur Herrschaft der Hohenegger und zu den sozialen und kulturellen Entwicklungen des Dorfes. Ihre Arbeit zeigt eindrucksvoll, wie Ortsgeschichte zum Fenster wird, durch das sich überregionale und europäische Zusammenhänge betrachten lassen. Ihr Werk wurde nicht nur im Ort intensiv rezipiert, sondern hat auch in der Fachwelt große Resonanz gefunden – gerade weil es inhaltlich und gestalterisch neue Wege geht.
So entstand für Sie die Gelegenheit, Ihr Konzept beim jährlich stattfindenden Seminarkurs für Ortsgeschichtsschreibung der Bezirksheimatpflege Schwaben in Thierhaupten vorzustellen. Auch der Lehrstuhl für Regionalgeschichte der Universität Augsburg interessiert sich für Ihre Chronik, sodass Sie sie dort im Oberseminar präsentieren durften. In beiden Rahmen wurde Ihre Chronik intensiv diskutiert und als Beispiel dafür wahrgenommen, wie moderne Ortsgeschichtsschreibung aussehen kann: wissenschaftlich fundiert, anschaulich gestaltet und innovativ umgesetzt.
Mit Ihrem Werk haben Sie Sulzschneid ein Geschichtsbuch geschenkt, das Identität stiftet – und gleichzeitig ein Beispiel gesetzt, das weit in die Fachwelt ausstrahlt.
Geschichte entsteht nicht von selbst. Sie muss entdeckt, geprüft, verstanden und erzählt werden.
Die vier Persönlichkeiten, die wir heute ehren, haben dies getan: mit Ausdauer, Genauigkeit, Verantwortungsbewusstsein und großer Liebe zur Heimat. Sie haben Geschichte bewahrt und damit Zukunft geschaffen. Im Namen der Stadt Marktoberdorf und auch ganz persönlich
danke ich Ihnen, Martin Unsinn, Dr. Thomas Kehle, Ludwig Hofer und Ursula Thamm, für Ihre besonderen Verdienste. Sie alle tragen dazu bei, dass Geisenried, Sulzschneid, Rieder, Bertoldshofen und Marktoberdorf ihre Vergangenheit kennen und damit ihre Zukunft gestalten können.
Herzlichen Glückwunsch zur Ehrenmedaille in Silber der Stadt Marktoberdorf.“
