Staunend erlebte das Publikum im voll besetzten Mobilé Marktoberdorf den fantastischen Zeitsprung zurück ins Berlin der Goldenen Zwanzigerjahre. Es war sogar selbst Teil der neuen Inszenierung „Des Teufels Hand“, als sich die Mobilé-Bühne in einen Berliner Showsalon mit exquisiten Gesangsdarbietungen verwandelte. Um den Klavierbegleiter Gerhard Link servierten hier Brigitte Luftensteiner, Margit Höbel, Ulla Klaus, Manfred Selb und Martin Fumian solistisch oder im Trio und Quartett die wundervollen Chansons und Evergreens der Zwanziger und Dreißigerjahre. Elegant im langen weinroten Kleid mimte das Damentrio die Andrew Sisters mit dem Hit „Boogie Woogie Bugle Boy“ (1941). Zarah Leander schien wieder aufzuerstehen oder Brigitte Horney mit ihrem bezaubernden Filmsong „So oder so ist das Leben“ (1934). Das Publikum wiegte sich in den nostalgischen Schlagermelodien von Max Raabes „Ein Tag wie Gold“ oder „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ aus dem Film „Tanz auf dem Vulkan“ (1938). Natürlich beschwor die Musiktruppe mit „Mein kleiner grüner Kaktus“ (1934) auch das legendäre Berliner Vokalsextett der Comedian Harmonists.
Geschickt zauberten Autor und Regisseur Stefan Grassmann und Mobilé-Leiterin und Co-Regisseurin Lucia Golda ein musikalisches Spektakel auf die Bühne. Die stimmungsvollen Songs untermalen authentisch eine Theateraufführung. Ins Blickfeld rücken mit Niklas Klinger zwei Mobilé-Schauspielerinnen, die hier mit Mitgliedern von Grassmanns gefeierter Gesangstruppe „Die Dissonanten“ zum „Manoli“-Ensemble verschmelzen. Seit zwei Jahren sind Kathrin Schindele und Annette Lotter bereits auf dem Sprung, und jetzt hat Autor Grassmann diesen beiden fulminanten Darstellerinnen ein großes Theaterstück auf den Leib geschrieben. Darin eingebaut erscheint auch eine groteske Grusel-Stummfilm-Szenerie. So entstand ein riesiges historisches Berliner Zeitgemälde, in dem sich zwei unerschrockene junge Frauen in den dramatischen Jahren von 1917 bis 1933 ihr Glück erkämpfen.
Annette Lotter zeigt die rasante Entwicklung vom naiven Mädel vom Lande zur glamourösen Berliner Filmdiva. Kathrin Schindele ist die sensationelle Berliner Göre, die mit Zigarette in der Hand ihre emanzipatorischen Rechte einfordert. Auf der leer gefegten Mobilé-Bühne präsentierten sie ein fantastisches Solo aus präziser Berlinerischen Sprachbravour und hinreißendem spielerischem Charme. Stefan Grassmann und Lucia Golda zeichnen hier ein starkes Frauenbild, ganz gemäß der feministischen Hymne „Raus mit den Männern“ von 1926, die Friedrich Hollaender der großen Berliner Kabarett-Königin Claire Waldoff widmete und die Ulla Klaus als Solistin dem Mobilé-Publikum mit wütendem Sprechgesang entgegen schleuderte.
Weitere Vorstellungen finden am Freitag, 8. März; Samstag, 9. März, und Sonntag, 10. März jeweils um 19 Uhr im Mobilé statt. Die Aufführungen sind zwar ausverkauft. Es gibt laut den Veranstaltern aber eine Warteliste. (von Gabriele Schroth, mit freundlicher Genehmigung der Allgäuer Zeitung)