Das Wappen von Sulzschneid: So sieht es aus

Geschenke zum Geburtstag zu erhalten, ist schön. Sich selbst ein Geschenk zum Geburtstag zu bereiten und sich damit einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen, kann sogar noch schöner sein. Das eine lehnen die Sulzschneider zwar nicht ab, auf das andere freuen sie sich aber schon jetzt: das eigene Ortswappen, das Dr. Thomas Kehle zum 900-jährigen Bestehen des Marktoberdorfer Ortsteils entwickelt hat.

Walter Sirch erinnerte sich ans Stöttener Ortsjubiläum, als an einem Marktstand vor den Augen des Publikums mit der vollen Wucht eines schweren Hammers Münzen geprägt wurden. Das sei doch auch etwas für das Fest in Sulzschneid, überlegte er. Auf der einen Seite der Medaille die Kirche, auf der anderen ein Wappen. Nur: Sulzschneid hat kein Wappen. Weil sich Kehle seit Jahren intensiv mit der Dorfgeschichte befasst, war er für Sirch die erste Anlaufstation. Die Sache kam ins Rollen.

Kehle wohnt seit 1995 Jahren in dem Dorf, dem er, wie es Bürgermeister Dr. Wolfgang Hell bei der Vorstellung im Rathaussaal sagte, mit der neuen Ortschronik eine Liebeserklärung gemacht hat. Und wie jede Liebe, die lange halten soll, so benötigte auch diese ein umfangreiches Werben, in diesem Fall eine jahrelange Recherche in öffentlichen Archiven und in Klöstern im In- und Ausland.

Dieser detektivische Spürsinn führte dazu, dass Kehle das Gründungsjahr Sulzschneids halbwegs eingrenzen konnte. Das bisher überlieferte Datum von 1116 war nicht haltbar. 1120 erschien am wahrscheinlichsten, zumal in einer Schenkung an das Kloster Rottenbuch aus jener Zeit als Zeuge ein Wilhalm de Sultzsnaite auftrat. Damit stand das Jubiläumsjahr ziemlich fest. Der erste wichtige Schritt.

Der zweite Schritt war, ein Wappen zu entwickeln. Dabei galt es, strenge Vorschriften einzuhalten, die der „Herold“ in Berlin – ein Verein für Heraldik (Wappenkunde), Genealogie (Ahnenforschung) und verwandte Wissenschaften – vorgegeben hat. Denn immer mehr früher eigenständige und nun eingemeindete Ortschaften wie Sulzschneid wollen etwas Identitätsstiftendes wie ein Wappen. Das alte Sulzschneider Siegel zierte lediglich das weiß-blaue Rautenmuster des Freistaats Bayern. Ein neues Siegel ist nicht nötig, weil Sulzschneid zu Marktoberdorf gehört. Wohl aber kann sich das Dorf als äußeres Zeichen ein Wappen geben.

Auch dafür musste Kehle tief in die Archivkeller steigen, um die Geschichte der Hohenegger ans Tageslicht zu holen. Das Rittergeschlecht beherrschte und prägte Sulzschneid ab dem 14. Jahrhundert 300 Jahre lang. Es erbaute dort ein Schloss und die Pfarrkirche. Das Wappentier der Hohenegger war ein Stier. Damit war schon einmal ein wichtiges Symbol für das Sulzschneider Wappen gefunden. Schwarz ist es auf goldenem Grund gezeichnet.

Im zweiten Teil des Wappens hat Kehle die Herkunft des Ortsnamens bildlich dargestellt. Da traf es sich, dass er bei seinen Recherchen Sulzschneids älteste Chronik wiederentdeckte, 1829 verfasst von Pfarrer Lechner. Dessen Annahme: Sulz bezeichnet eine Salzlecke für das damals reichlich vorhandene Wild. Denn Sulzschneid war lange das Hauptjagdrevier der Fürstbischöfe von Augsburg. Die verbreitete Vermutung, Sulzschneid beschreibe einen durch Sumpfwald gehauenen Weg, war demnach kaum haltbar. So finden sich nun im Wappen drei Salzkristalle auf rotem Grund. Damit schuf Kehle eine farbliche Verbindung zum Bistum Augsburg, zum Bezirk Schwaben und zu den Tirolern, die Sulzschneid nach der Pestzeit wieder besiedelt hatten.

Nach vielen Rücksprachen mit dem „Herold“ in Berlin und dessen umfassender Unterstützung schien eigentlich alles nur noch eine Formsache für die Genehmigung des Wappens zu sein. Dem war aber nicht so. Der Kopf des Stiers war den Heraldikern dann doch zu abstrakt, um als Stierkopf erkennbar zu sein. Claudia Fumian hatte ihn nach einer Vorlage aus dem Hohenegger Wappen von 1335 gezeichnet.

Ein Stierkopf aus heutiger Zeit kam nicht in Frage, denn die Darstellungen in einem Wappen sollen nur symbolisieren, aber keine exakte Abbildung sein. Also entnahm Kehle den Stierkopf aus einem Wappen der Hohenegger von 1450, modifizierte ihn leicht und reichte den Entwurf erneut ein. Diesmal mit Erfolg. Der „Herold“ hielt die Umsetzung für „gut gelungen“ und schrieb weiter: „Ich denke, damit sollten Sie alle im Ort begeistern können.“ Stimmt. Bei der Einwohnerversammlung erhielt Kehle reichlich Applaus.

Sulzschneid, das Dorf der Vielfalt